360 – Der Trostpreis
27. November 2016
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Liebe Frauen,
seid Ihr Gewinner? Innen? Oder begnügt Ihr Euch mit einem Trostpreis?
In unseren wilden Teenager-Tagträumen malen wir uns die Welt so aus, wie wir denken, dass sie uns gefallen könnte, wenn wir mal erwachsen sind, wenn wir im Leben stehen, wenn wir unser eigenes Leben leben. Wenn wir endlich tun und lassen können, was wir wollen, und uns niemand niemand niemand reinreden darf. Dann sind wir nämlich reich, weil wir genau den Beruf haben, den wir haben wollen, und das ist ein Beruf, den wir ganz besonders gut ausüben können. Rockstar. Nur so als Beispiel. Können wir gut. Meinetwegen auch youtube-Star. Für die Jüngeren unter uns, deren Teenager-Tagträumereien noch nicht ganz so lange zurückliegen. Und wir leben in der Stadt, in der wir endlich angekommen sein werden. New York. Auch nur so als Beispiel. Oder Berlin. Wenn wir zwischen den österreichischen Bergen hindurch in die weite Welt blicken, dann kann das schon Berlin sein, das uns so vorkommt, wie den Berlinern New York und den New Yorkern Shanghai. Und wir leben in einer Luxus-Wohnung mit Dachterrasse und einem Panorama-Aquarium, das sich von selber putzt, und die Feuerfische sind immer schön. So wie der Mensch, mit dem wir all das teilen. Der Mensch wird ein Modell sein, aber clever, eine Gehirnchirurgin, aber trotzdem nicht burnout-gefährdet, ein Top-Manager, aber trotzdem eine gute Seele. Brad Pitt und Angelina Jolie wären wieder frei. Und wir fläzen uns ins teure Sofa und lassen den Blick über diverse Skylines schweifen, da und dort in der Welt, und wir sagen: Ja, so ist es gut.
Und dann erinnern wir uns daran, dass wir auf einer versifften Matratze liegen, die Skyline lediglich ein Fotoposter ist, und der angebetete Mensch neben uns gerade gepupst hat, weil es ist kein Mensch, sondern ein Hund, der dringend Gassi gehen muss. Und statt Aquarium gibt es Hamsterrad, und das Streu stinkt auch schon wieder erbärmlich, dass die aber auch so alt werden müssen, die Viecher. Aber wir sind ja Teenager, und als solcher weiß man, dass Tagträume mitnichten etwas mit Träumereien zu tun haben, nein, es sind Pläne, die wir in die Tat umzusetzen uns auf den Weg machen in die weite weite Welt jenseits des eigenen Viertels, in dem man sich schon als Kind die Knie blutig geschürft hat, wenn man mit dem vom Bruder übernommen Fahrrad den Aspahlt abgemessen hat.
Und dann? Dann werden wir eines Tages wach und sehen, wir sind längst erwachsen, und stellen fest, wir waren doch ganz einfach nur Träumer. Denn das ist immer noch einfacher, als zuzugeben, die Pläne nicht in die Tat umgesetzt zu haben. Denn wir sind nicht Rockstar und unser youtube-Kanal hat nur elf Abonenten. Und unser Penthouse liegt im ersten Stock und zwar in jener Stadt, in der wir uns immer noch die Knie aufschürfen, wenn wir von second-hand-Fahrrädern, die dann doch nicht merh so gut in Schuss waren, stolpern. Und der Mensch an unserer Seite …
Jetzt wird es brenzlig.
Entweder wir denken uns: Tja, Angelina ist es nicht. Und müssen uns eingestehen, dass wir uns mit einem Trostpreis im Leben zufrieden geben.
Oder aber: Tja, ist mindestens so gut wie Angelina. Und dann müssen wir doch denken: Aber warum um himmelswillen sind wir mit Angelina oder besserem zusammen? Am Job kann es nicht liegen. An der Wohnung oder der Stadt auch nicht. Oder an unserem Körperbau, der noch am ehesten dem eines Rockstars entspricht, allerdings dem abgehalfterten und versoffenen Rockstar, der es nicht mehr nötig hat, in die Muckibude zu rennen. Die Schlussfolgerung: Wenn dieser Mensch also tatsächlich das Einzige in meinem Leben ist, wo ich nicht den Trostpreis mit nach Hause schleppe, dann bin doch ich dessen Trostpreis. Nur: Warum tut dieser Mensch das, sich mit einem Trostpreis zufrieden geben? Hallo, wach auf, lebe deinen Traum, das hast du doch auch als Teenager auf Schulbänke gekritzelt, such dir deinen Hauptgewinn.
Ich habe einmal bei einem Wettbewerb mitgemacht. Und habe gewonnen. Eine zwölf Jahre alte Flasche Whiskey. Der Trostpreis wäre eine Kappe von der gleichen Destillerie gewesen. Die Flasche steht seit Jahren unberührt nur rum. Der Kappe trauere ich immer noch nach.
Ach ja.
Euer Adam
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