395 – Das Nebeneinandersitzen
30. Juli 2017
7 Kommentare
- Liebe
Liebe Frauen,
woran erkennt man, ob ein Paar noch ganz frisch verliebt oder schon lange zusammen ist?
Richtig, daran, wie sie sitzen, wenn sie in einem Lokal sitzen.
Frisch Verliebte sitzen einander gegenüber. Damit sie sich anschauen können. Tief in die Augen blicken. Weil sie nichts anderes sehen wollen, als diesen einen Menschen, der da ganz neu in ihr Leben getreten ist, der das Interessanteste ist, was man sich gerade vorstellen kann, man weiß nicht, wie man das Leben ohne diesen einen Menschen bisher verbringen konnte, man will mehr mehr mehr, ihn nie nie nie mehr aus den Augen lassen, um nur ja keine Sekunde zu verpassen, diesen einen und einzigen Menschen zu sehen. Hach.
Und wenn man dann so da sitzt und doch, warum auch immer, mal den Blick schweifen lässt, ah, ich weiß, weil der geliebte Geliebte mal eben aufs Klo musste, dann sieht man ein paar Tische weiter ein Pärchen, und die beiden sitzen nebeneinander und schauen sich nicht an. Und was denkt man da als gerade eben erst von Amors Pfeil Niedergestreckter?
Dass man es selber nie so weit kommen lassen möchte. Ja, dass man sich das gar nicht einmal vorstellen kann, dass andere sich nicht immerzu anschauen wollen. Und es macht Euch traurig, weil Ihr feststellt, dass leider nicht alle dieses wahre und große und ach Gefühl haben, das Ihr habt und auf immer und ewig haben werdet. Vielleicht wird es mal kurz prickeln, so im Nacken, weil Ihr Euch denkt: Und was, wenn doch? Wenn auch wir in ein paar Jahren, Jahrzehnten so da sitzen werden? Nebeneinander.
Nein, das wollt Ihr Euch nicht vorstellen, nein, geht gar nicht, entweder oder, denkt Ihr Euch, entweder alles oder nichts, aber nicht sowas künstlich am Leben erhalten, so ein nebeneinanderher leben, nein.
Wisst Ihr, was Euer Problem ist?
Die Blindheit der Frischverliebten.
Oder auch die Arroganz.
Denn Ihr überseht etwas ungemein Wichtiges. Dass man als Paar nämlich irgendwann über die Phase des Frischverliebtseins hinausgelangt. Und dann erst entscheidet es sich, ob man auch in Zukunft zusammenbleiben wird und will. Und kann. Ob man zusammen in die Zukunft blickt.
Denn das ist es, was Paare tun, die nebeneinander sitzen: Sie schauen in die gleiche Richtung. Vom gleichen Standpunkt aus. Sie sind nicht mehr zwei, die sich annähern und kennenlernen, sie sind zwei, die wissen, wo sie stehen, was sie (an einander) haben, die Seite an Seite stehen und zusammen hinaus in die Welt blicken und schreiten.
Und manchmal sehen diese alten Paare junge, frisch verliebte Pärchen, die nichts anderes zu tun haben, als sich gegenseitig anzuschauen. Und es macht sie ein wenig traurig, weil sie wissen, dass die keine Ahnung davon haben, was noch alles auf sie zukommen wird. Und auch keine Ahnung haben können, weil sie ja nicht hinschauen, in die gemeinsame Zukunft. Sollten sie aber besser irgendwann mal tun. Bevor es zu spät ist.
Euer Adam
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hallo adam,
danke für diese betrachtungen – so habe ich es noch nicht gesehen.
im restaurant sitze ich gern gegenüber (wem auch immer), weil ich mich auf meine begleitung konzentrieren möchte und die unterhaltung leichter fällt, wenn ich meinen gesprächspartner (m/w) dabei ansehen kann. man sieht sich ins gesicht und die reaktion auf das gesagte. anlächeln ist bei dieser sitzordnung auch eher möglich ohne eine halbe drehung machen zu müssen.
man kann sich beim essen auch leichter häppchen zureichen.. weil man alles teilen möchte, wenn man frisch verliebt ist. füttern und küssen – es soll da einen zusammenhang geben 😉
nebeneinandersitzen ist für mich eher kuschelig, egal wo. es bietet die möglichkeit sich anzulehnen. das mag ich. aber dann ist miteinander reden nicht so wichtig – dann ist nähe dran (außer im flugzeug neben einem unbekannten *grins*).
zustimmen kann ich dir bei dem gemeinsamen blick in die zukunft… das ist wohl wahr. mir fallen allerdings oftmals die paare auf, die nur mit dem servicepersonal sprechen. die können eine stunde speisen, ohne sich zu unterhalten. sind die nun so symbiotisch oder haben sie sich nichts mehr zu sagen? oder sehen beide bereits das ende auf sich zukommen…
Natürlich gibt es auch jene Pärchen, die einfach nur noch ins Leere schauen. Und das lässt sich leichter tun, wenn niemand gegenüber sitzt, ist klar.
es muss niemandem irgendwem das recht geben, über wen anderen irgendwas zu denken; es passiert. Und genau deswegen schreibe ich, dass das, was man sich so denkt, nicht unbedingt immer der wahrheit entsprechen muss. Sprich: Wenn man sich schon seins denkt, dann wenigstens auch ab und zu mal das, was man sich da denkt, hinterfragen.
Auch ich sitze grundsätzlich gegenüber (m/w), aus den vorgenannten Gründen. Notfalls seitlich.
Aber, ihr jungen Leute, nach Jahrzehnten hat man nicht immer NEUEN Gesprächsstoff und ich hasse es ständig zu reden, nur um zu reden. Wenn man 1 Stunde schweigsam ist, z. B. im Auto, dann bedeutet das doch nicht, dass man sich nichts mehr zu sagen hat.
Ich glaube im Knigge habe ich mal gelesen, dass an sich in Gesellschaft nicht nebeneinander setzt, damit man mit anderen Leuten anderen Gesprächsstoff hat.
komisch, ich war überzeugt, ich hätte schon mal über das gemeinschaftlich Schweigen geschrieben … muss ich wohl noch mal machen …
https://www.adamspricht.com/115-die-peinliche-stille/
meintest du das, lieber adam?
In dem Artikel geht es um die peinliche Stille bei ersten Dates. Ich meine eher, dass man irgendwann nicht mehr unbedingt reden muss, um sich wohl zu fühlen