147 – Der Knutschfleck
29. Oktober 2012
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Liebe Frauen,
„Mach mir keinen Knutschfleck, alles nur kein Knutschfleck, so’n Knutschfleck bleibt und du bist weg.“ Könnt Ihr Euch erinnern? Wenn ja spricht das für Euer Alter. Denn damit landete die Sängerin lxi (sic) im Jahr 1983 einen Charterfolg während der Neuen Deutschen Welle.
Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, was sie mit „alles nur kein Knutschfleck“ gemeint haben könnte. Was kann man einem sonst noch alles machen? Eben.
Nein, vielmehr möchte ich dieses seltsame Phänomen des Knutschflecks mal ein wenig unter die Lupe nehmen. Wir Männer, die wir mal Jungs waren, machten als solche, als Teenager also, sehr gerne Knutschflecken. Und erhielten ebenso gerne welche zurück. Warum? Ganz einfach: Weil es doch meistens das höchste der Gefühle war, das man zu der Zeit erreichen konnte. Sex stand noch außer Frage, vielleicht mal ein wenig unter die Bluse greifen, aber vor allem: Knutschen, knutschen, knutschen.Überall standen sie im Pausenhof, die engumschlungenen Pärchen, Augen geschlossen und Zunge an Zunge, bis dass die Glocke zur nächsten Schulstunde rief und dem Kreisen und Erkunden der lingua (Zunge) im fremden Mund ein jähes Ende setzte. Dann wurde sich der Speichel von den Lippen und dem Kinn gewischt und auf die nächste Pause hin gehofft, um dort anzusetzen, wo man gerade aufgehört hatte. Aber es waren eben nicht nur die Zungen, die sich berührten, es wurde auch und gerne der Hals mit ins jungfräuliche Liebesspiel einbezogen. So hatte man es ja im Fernsehen gesehen. So wurde es getan. Und kaum lagen die Lippen an der zarten Haut dieses Menschen, den man zu lieben glaubte, wurde gesaugt, was das Zeug hielt, da hätten sich so manche Vampire ein Scheibchen abschneiden können. Und ja, auch in den 80ern gab es schon Vampire, die man unglaublich sexy finden konnte, ich erwähne nur Kiefer Sutherland im Klassiker aus dem Jahre 1987: The Lost Boys. Und der war kein so ein Lullu wie die Edwards der heutigen Zeit. Egal, anderes Thema. Knutschfleck. Richtig, der Knutschfleck war das Resultat eben jener Saugaktionen. Und der hatte zwei Vorteile gegenüber der sonstigen Sabberorgie: Erstens: Man spürte ihn. Man konnte also in der Klasse sitzen und sich daran erinnern, wie er einem gerade fünf Minuten vorher verpasst worden war. Zweitens: Man sah ihn. Man konnte also sicher sein, dass auch die Mitschüler wussten: Der da hat eine Freundin, die es ihm so richtig besorgt. In dem Maße, in dem halt in dem Alter was besorgt werden konnte. Und: Man sah ihn auch an ihr. Man konnte also sicher sein, dass auch die Mitschüler wussten: Ha, der hat eine Freundin, der er es so richtig besorgt hat. Es war ein Brandzeichen: Die gehört mir, ich gehör ihr. Es war der Beweis für die ersten Schritte Richtung erwachsen Werden. Es war eine Auszeichnung, eine Medaille, es war all das, was man wollen konnte.
Warum aber sang dann lxs damals, sie wolle keinen Knutschfleck?
Weil sie den Song natürlich nicht selber geschrieben hatte. Irgendein Produzent, dessen Name sicherlich auf wikipedia nachzulesen ist, fand das gut, das so ein junges freches Ding über einen Knutschfleck sang. Hatte er ja auch recht. Nur hat er ein wenig seine eigene Meinung vertreten, nämlich die eines Erwachsenen. Und auch wenn ich hin und wieder in Nostalgie verfalle und so manches, was man als Teenager noch ganz ganz überragend toll fand und heute nicht mehr zu schätzen weiß, in ein neues, erwachsenes Licht rücken möchte, so muss ich leider sagen: Knutschflecken können getrost Relikt der Vergangenheit bleiben. Ich muss nicht mehr mit einem bräunlich-roten Geschwulst am Hals rumrennen, damit alle sehen, dass ich einen Menschen habe, der mir eben dieses verpasst hat. Wenn ich heute anderen Menschen beweisen will, dass ich jemand ganz allein für mich hab, kann ich das per facebook kundtun, da erreich ich viel schneller viel zuverlässiger viel mehr Menschen.
Und wenn dann doch mal beim Liebesspiel ein Knutschfleck passiert (saugen ist noch nicht aus der Mode gekommen), verstecke ich ihn lieber unter einem Rollkragenpullover oder Schal. Denn der Knutschfleck, der gehört ganz alleine mir.
Euer Adam
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