155 – Das Familienfest
24. Dezember 2012
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- Liebe
Liebe Frauen,
Glöckchen klingen, Plastikweihnachtsmänner steigen Fassaden hinauf, George Michael singt vom letzten Jahr, wo er sein Herz an die falsche Person verschenkt hat, und Chris Rea fährt mal wieder nach Hause. Denn es ist Weihnachten.
Und auch wenn wir das ganze Jahr über nichts mit unseren Familien zu tun haben, zu Weihnachten ist alles anders, da besinnt man sich, da geht man in sich, da wird man dankbar und denkt daran, wie wichtig einem die Familie doch ist.
Oder ist es nicht so? Oder denkt Ihr nur: So ein Scheiß, was kauf ich denen nur? Muss denn das schon wieder sein? Weihnachten war doch erst vor ein paar Monaten. Und dann wieder da rumsitzen und so tun, als sei alles supertoll und alle haben sich lieb und das Christkind trägt Baumwollunterwäsche unter seinem Rock.
Und dann kommt die Frage: Gott, für meine Mutter find ich ja noch irgendwas, aber für seine? Die ist doch nie zufrieden. Die schaut doch immer nur griesgrämig, weil sie sich denkt, er hätte mich besser nicht geheiratet/eine Beziehung mit mir. Wär er doch bei seiner Ex geblieben, das war so ein nettes Mädel, die hat auch immer viel schönere Geschenke gemacht, die hatte halt Stil.
Gut, jetzt hab ich mich natürlich sehr klischeemäßig auf die böse Stiefmutter konzentriert, aber nämliches gilt auch für den Herrn Papa des lieben Mannes, und für seinen Bruder, seine Schwester, seine Nichte, seinen Neffen …
So, und es gilt genauso umgekehrt: Wir Männer müssen uns Eurer Familie stellen. Da haben wir uns Monate lang darum herumgedrückt, vertröstet und verspätet, doch zu Weihnachten, ja, da muss man dann in die Höhle des Löwenrudels, das nur darauf wartet, die arme kleine Gazelle, die wir sind, zu zerfleischen.
Und dann grinst man sich die Backen wund und stößt so lange mit irgendwelchen Menschen an, die man noch nie im Leben gesehen hat, bis der Alkohol seine Wirkung tut und man tatsächlich über die albernen Witze lachen kann. Dann hofft man inständig, dass in dem Buch, das man für die liebe Frau Mama ausgewählt hat, wirklich keine Sexszenen drin vorkommen, dafür aber in dem für den Herrn Papa, aber nicht zu offensichtlich, damit die Frau Mama es nicht mitbekommt. Dann muss man besonders viel Geld ausgeben für Neffen und Nichten und anderes kindliche Gesocks, denn da muss man beweisen: Ja, ich bin der neue coole Onkel, der unglaublich viel Geld hat und dies in unglaublich teure aber unglaublich angesagte Videospiele investiert, um sich die Gunst der kleinen Scheißer zu erkaufen. Und der Bruder ist ok, der legt den Arm um deine Schulter und spendiert nach dem schweren Essen einen Whiskey und flüstert einem ins Ohr: Und wehe, du tust ihr weh, dann zerkratz ich dir dein Auto. Und die Schwester, doch, die ist wirklich nett, dass die dich voll scheiße findet und überzeugt ist, dass sie dich auf einem Fahndungsfoto gesehen hat, dass erzählt sie nämlich nicht dir ins Gesicht, sondern deiner Freundin hintenrum, wenn du grad am Klo bist, welches von Frau Mama gleich nach deiner Sitzung inspiziert wird, ob du dich auch hingesetzt hast, Klopapier benutzt hast, gespült hast, und wonach es stinkt und ob du eh nicht heimlich rauchst oder dir einen runterholst. Und dann legt der Herr Papa einen Arm um deine Schulter und bietet dir einen Whiskey an und diesmal geht es um deine Eier, solltest du seiner geliebten Tochter jemals was Böses antun. Und böse ist vieles. Sehr vieles. Eigentlich alles. Eigentlich bist du böse, grundsätzlich und von Grund auf. Also pass auf, pass ja gut auf.
Und wenn du das alles überstanden hast und vollgefressen im Auto sitzt und furzen musst und rülpsen auch und Angst hast, ihr Vater könnte das Auto mit einer Autobombe versehen haben, weshalb du den Motor erst anlässt, wenn sie neben dir sitzt, weil dann würde er ja einschreiten, wenn du also im Rückspiegel siehst, dass das Elternhaus deiner Angebeteten immer kleiner wird und du noch lebst und nicht einmal gelyncht wurdest, weil deine Geschenke entweder viel zu teuer oder viel zu billig waren, und wenn dann deine Freundin den Kopf zu dir dreht und dich anlächelt und dir sagt: „Gut hast du das gemacht“, dann weißt du, sie ist die Richtigie für dich.
Ich wünsche ein fröhliches Fest.
Euer Adam
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