168 – Die Fernbeziehung
25. März 2013
0 Kommentare
- Liebe
Liebe Frauen,
das waren noch Zeiten, in denen die Zeiten keine globalisierten waren und jeder schön brav für sich zuhause saß und zufrieden war und nur die Reichen einmal im Jahr ans Meer gefahren sind, wo sich die ansonsten gutbehütete Tochter des Hauses einen feschen Möchtegernmatrosen angelacht hat, der sie – schwupps – geschwängert wieder zurück in den Norden düsen lässt, wo sie Hauarrest kriegt, bis das Kind der Nanny übergeben werden kann. Aber daran denken, den Luftikus aus dem Luftkurort zur Verantwortung zu ziehen? Nicht wirklich eine Option. Gar eine Beziehung mit ihm anfangen? Unmöglich. Egal wie dick die Krokodilstränen sind, die die junge Mutter in spe vergießt, sie wird ihn einfach nie mehr wieder sehen. Und also zwar nicht vergessen, aber verschmerzen. Spätestens dann, wenn die Wehen mehr weh tun.
Und heute?
Heute findet man den Mann fürs Leben auf der ganzen Welt. Oder die Frau. Oder was auch immer man begehrt. Weil die Welt ist ein Dorf, und man weiß ja, wie das am Dorf zugeht, da wird hin und her verkuppelt, bis sich die Balken biegen und jeder mit jedem und am Ende geht es nur darum, dass der Hof versorgt ist.Und dann hat man einen unglaublich tollen jungen Mann kennengelernt, als Frau zum Beispiel, und man weiß, das ist jetzt kein kurzer Urlaubsflirt, weil es war eine Geschäftsreise, und es gibt mehr als nur die unzuverlässige und langsame Post, es gibt Telefon und Flatrate ins Ausland und Email und Facebook und Rauchzeichen digitaler Art, wie sie erst erfunden werden müssen. Na dann kann man sich doch getrost auf mehr einlassen. Oder nicht?
Bei den ganzen Kontaktbörsen im Netz ist die Stadt, in der man wohnt, weit weniger ausschlaggebend für ein „match“, als der Musikgeschmack. Weil Distanzen kann man überbrücken. Für den besseren Job, für die bessere Liebe. Und wir sind ja alle unabhängig, wir sind frei, wir können tun und lassen, was wir wollen, wir haben Wochenenden, an denen wir schnell mal in Bus und Bahn und Auto und Flugzeug steigen und schon sind wir bei unserem geliebten Menschen in Neuseeland, Brasilien oder Darmstadt. Wurscht. Und weil es so einfach ist, muss man sich die Frage stellen, warum das Thema noch ein Thema ist.
Das Thema ist ein Thema, weil es dann eben doch nicht so einfach ist. Weil wenn man wen liebt, will man mit diesem Menschen zusammen sein. Und zusammen ist man nicht, wenn dazwischen Kilometer liegen. Man will den Menschen anfassen können, und nicht nur anschreiben. Man will ihn sehen, live und in Farbe, und nicht zerstückelt und verruckelt per Skype. Man will das Leben mit ihm teilen, statt ihm vom Leben am Ende des Tages zu erzählen, am Telefon, müde und abgeschlafft, wenn man eigentlich zusammen schweigen will. Nur schweigen geht auf Distanz so schlecht. Weil dann gar nichts mehr da ist. Also redet man den letzten Schwachsinn und weiß, dass man den letzten Schwachsinn redet, nur um irgendwas von sich zu geben, um den Anschein zu erwecken, so vieles miteinander zu teilen. Alles miteinander zu teilen. Und am Wochenende, wenn man sich endlich sieht, richtig sieht, dann hängt einem der Stress der Woche im Nacken und der Druck, jetzt sofort und ohne Ausschweifungen Sex zu haben, weil man ja die ganze Woche an nichts anderes gedacht hat, und das Wochenende muss das beste aller Zeiten sein, man muss was tun, man kann ja nicht, wenn man sich nur einmal alle Jubeltage anfassen kann, vor dem Fernseher lungern, man muss die Zeit nutzen, die man hat, und sich stressen, ja, man muss sich stressen, um der ganzen Welt und sich selber zu beweisen, dass das überhaupt kein Problem ist mit der Fernbeziehung, man hat es im Griff, man kann das, man ist die eine und einzige Ausnahme, die das kann, auf immer und ewig, und nienienie wird da was dazwischen kommen.
So. Genug sarkastischen Pessimismus versprüht. Natürlich geht es. Aber ist es das, was wir wollen? Ganz ehrlich jetzt? Eben, nein, das ist es nicht.
Da bleibt mir nur eines zu raten: Nach Möglichkeiten suchen, den Zustand zu beenden.
Und wenn die nicht gefunden werden?
Stress raus, das genießen, was da ist. So lange es da ist. Und vielleicht geht’s ja doch. Oder es findet sich doch eine Möglichkeit, irgendwann und unerwartet. Und unverkrampft.
Euer Adam
Dir gefällt mein Artikel? Dann sag's bitte weiter:
Kontaktformular