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531 – Das vermeintliche Verständnis

8. März 2020

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  • Liebe

Liebe Frauen,

Männer sagen: Du verstehst es einfach nicht.

Frauen sagen: Du verstehst mich einfach nicht.

Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Nicht können

Wenn Männer und Frauen streiten aber so Erwachsen sind, dass sie sich nicht einfach nur Arschloch und Pute oder sonst wie schimpfen, sondern das große Bedürfnis haben, sich zu beweisen, dass man sich im Grunde doch eh prächtig versteht, schmeißt man sich genau dieses gegenseitig an den Kopf: Den Mangel an Verständnis. Und da stecken gleich zwei Vorwürfe drin: Erstens: Du kannst mich nicht verstehen. Zweitens: Du willst mich nicht verstehen.

Wenn man dem anderen vorwirft, nicht verstehen zu können, geht dieser Vorwurf insofern ins Leere, als dass er das Ende jede Auseinandersetzung darstellt. Denn: Wenn der nicht kann, dann kann er nicht. Oder die. Und aus. Und das heißt, es geht längst nicht mehr darum, dass irgendwas verstanden werden sollte, sondern dass derjenige, der den Satz sagt, einfach nur denkt: Die ist doof. Oder der. Dumm. Unintelligent. Leere im Kopf. Walnuss als Hirn. Und das ist erstmal eine Beleidigung. Fällt aber auf den*die Vorwerfenden zurück: Schließlich hat der*die sich mit diesem dummen dummen Menschen zusammengetan. Vielleicht gewollt. Um besser dastehen zu könne. Um als Superbrain rüberzukommen. Dann sollte er*sie den Vorwurf stecken lassen. Ach so, nein, muss ja ausgesprochen werden, damit der*die andere auch ja immer wieder daran erinnert wird, wie der Hase so läuft. Hat der*die Vorwerfende aber nicht eh schon längst um die mangelnden intellektuellen Fähigkeiten des Gegenübers gewusst: Dann ist es vielleicht auch mit der eigenen Intelligenz nicht so weit her.

Es ist aber vor allem dieser Vorwurf, der aus dem männlichen Satz „Du verstehst es einfach nicht“ spricht. „Es“. Was? Eben. Alles. Zu blöd, um irgendwas zu verstehen. Und so sehen Männer Frauen ja ganz gern. Ja, immer noch in einer großen Mehrheit, denn es ist halt immer noch nicht selbstverständlich, dass Frauen Jobs machen, die Männer machen. Ist ja klar, sind einfach dazu nicht in der Lage. Entweder körperlich (sind ja so schwach, die Weibchen), oder mental. Ärztinnen sollen halt Kinderärztinnen sein, weil mit Kindern können die, aber bitte nicht Chirurg oder etwas, wo es wirklich um was geht.

Nicht wollen

Das weibliche „Du verstehst mich einfach nicht“ hingegen zielt auf das Persönliche ab. Da geht es nicht um Männer und Frauen allgemein, sondern um mich und dich. Und du willst nicht. Du entscheidest dich, mich nicht verstehen zu wollen. Weil ich dir nicht wichtig genug bin. Weil du meine Wünsche und Gedanken und Gefühle nicht ernst nimmst. Weil du denkst, du bist etwas Besseres (ja, genau, er ist ja ein Mann).

Der Satz sagt also: Wenn du mich nicht verstehen willst, bist du ein egoistisches Arschloch.

Und damit wären wir abermals am Ende jeder vernünftigen Auseinandersetzung.

Denn das Schöne an diesen beiden Sätzen ist doch, dass man sich selbst jeweils aus dem Spiel nimmt.

Wenn der andere mich nicht verstehen kann, naja, dann muss ich mir auch nicht mehr lange Mühe geben, es verständlich zu machen.

Wenn der andere mich nicht verstehen will, naja, dann … soll er mich mal kreuzweise.

Dabei könnten die Sätze auch bedeuten: Ich kann es nicht erklären. Oder: Ich will es nicht erklären. Und das hat Gründe. Aber die zu erforschen (und sich in der Folge zuzugestehen), ist natürlich wesentlich aufwändiger (und gefährlicher fürs Ego), als dem anderen einen dieser beiden wohlformulierten und seit Jahrhunderten und wahrscheinlich Jahrtausenden bewährten Sätze an den Schädel zu werfen.

Euer Adam

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