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550 – Die Ausnahmslosen

19. Juli 2020

2 Kommentare

  • Männer

Liebe Frauen,

alle Männer sind so.

Alle, alle, alle.

Es gibt keine Ausnahmen.

Keine, keine, keine.

Es geht immer, immer, immer um die komplette Mannheit.

Wer Penis und Hoden hat, gehört in einen Topf. Und wo wir grad dabei sind: Auch Männer ohne Schwanz dürfen gleich mit rein springen. Ich auch, ich hüpfe mit Freude ins brodelnde Wasser der Wahrheit über die Männer und hol mir hartgekochte Eier.

Weil es nunmal so ist. Weil sie nunmal so sind. Weil Männer so sind.

Irony off. (Das war der Hinweis an alle, deren Fähigkeit, Ironie zu lesen, nicht ganz so ausgeprägt ist, dass die vorherigen Zeilen ironisch gemeint waren.)

Natürlich sind nicht alle „so“. Nicht alle sind egoistische, egozentrische, misogyne Arschlöcher, Frauenverachter, Grabscher oder sonstwie in ihrer Männlichkeit Gestörte. Es gibt Ausnahmen. Immer. Manchmal gibt es sogar viele Ausnahmen. Manchmal sind es nicht einmal die meisten, die „so“ sind, also sind die Ausnahmen manchmal gar keine Ausnahmen mehr, sondern die Mehrheit.

Vollkommen an den Haaren herbeigezogene Vergleiche

Nicht alle Polizisten sind Rassisten. Das stimmt. Gottseidank. Nun kann ich mich mit einem Schild auf die Straße stellen, auf dem das steht. Und was erreiche ich damit? Dass ich über all jene Polizisten, die sehr wohl Rassisten sind, hinwegsehe. Dass Rassismus ein systemisches Problem ist, kommt in meiner (sehr wohl richtigen) Aussage nicht vor. Dass nicht nur immer mal wieder, sondern ständig Menschen mit dunkler Hautfarbe (oder anderer Herkunft) gedemütigt, erniedrigt, misshandelt und ermordet werden, das klammere ich aus.

Oder ich sage: Schwarze Schafe gibt es überall. Ja, das stimmt auch. Nur damit verharmlose ich die „schwarzen Schafe“, weil Schafe sind ja so niedlich und machen ganz lustig „mäh“. Und seht ihr, was in dem Satz steht: Schwarze sind böse. Und nein, das passiert nicht nur im fernen Amerika unterm durchgeknallten Trump. Ich picke nur zwei von vielen Fällen aus der näheren Umgebung raus: Markus Omofuma und Chebani W.

Ist der Vergleich ungerechtfertigt? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich habe noch ein paar.

Nicht alle Priester missbrauchen Kinder.

Nicht alle Politiker sind korrupt.

Nicht in allen Kinderheimen wurden Kinder misshandelt.

Nicht alle waren Nazis.

Aber es gibt Tausende von durch Kirchenmänner missbrauchte Kinder.

Es ist ein Leichtes, sich mit genügend Geld Gesetze zu kaufen.

Es gibt Abertausende unter staatlicher Obhut misshandelte Kinder.

Und es waren die lieben Nachbarn, die Juden dazu gezwungen haben, mit Zahnbürsten den Gehsteig zu säubern, und sie standen daneben, die Nachbarn, sie haben gelacht. Und von allen anderen Folgen, von denen man angeblich nichts gewusst hat, schreibe ich nicht einmal.

Es stimmt, alle Aussagen, dass es nicht alle waren, sind richtig. Und ja, es stimmt auch, dass es gut ist, darauf hinzuweisen, dass eben nicht alle „so“ sind oder waren. Und doch gab und gibt es sie.

Der Mörder in mir

So wie es die Männer gibt, die Frauen töten. Im Jahr 2018 wurden in Österreich 41 Frauen ermordet, 2019 waren es 39. „Monatlich werden mittlerweile etwa 3 Frauen ermordet. Beim überwiegenden Teil der Frauenmorde bestand ein Beziehungs- oder familiäres Verhältnis (z.B. Partner oder Ex-Partner) zwischen Täter und Opfer“ (Autonome Österreichische Frauenhäuser). Ja, nicht alle Männer töten ihre Frauen. Nicht alle vergewaltigen sie, schlagen sie, demütigen sie. Die meisten tun es sogar nicht.

Und vielleicht sollte ich ja wirklich aufhören, über die Ausnahmen zu schreiben. Über die Mörder unter den Männern. Die Bösen. Vielleicht ist es an der Zeit, über die vielen anderen zu schreiben.

Ja, ich werde ab sofort nur mehr über die lieben Männer schreiben, jene, die Frauen respektieren, die alles dafür tun, dass Frauen für den gleichen Job gleichviel verdienen, die ihren Anteil an der Hausarbeit nicht als „der Frau helfen“ ansehen, sondern als nunmal ihren Anteil an der Hausarbeit. Ich schreibe über Männer, die ihre Vaterrolle einnehmen, die selbstverständlich in Karenz gehen, und sich nicht dafür feiern lassen, dass sie grad mal einen Monat nach der Geburt nicht ganz so viel gearbeitet haben wie zuvor. Ich lobe jene, die den Frauen nicht einreden, wie sie zu handeln haben, wenn sie ungeplant, ungewollt schwanger wurden und dass sie selbst nach einer Vergewaltigung gefälligst das Kind zur Welt zu bringen haben. Ich widme mich voll und ganz den guten Jungs. Weil wir Männer ja nicht so sind.

Abermals: Irony off. Denn würde ich dies tun, würde ich – und zwar sehr zurecht – geschimpft werden, all das zu verharmlosen, was Frauen durch Männer angetan wird.

Das Problem aber ist, das sehe ich ein, dass ich eben nicht über mordende und vergewaltigende Männermonster schreibe. Sondern über irgendwelche Belanglosigkeiten, wie dass Männer breitbeinig im Bus sitzen, am Gehsteig nicht aus dem Weg gehen, gerne ihr Sperma sehen.

Ja, egal, harmlos, manchmal vielleicht ärgerlich, oft aber nicht einmal das.

Aber da beginnt’s.

Was ist denn schon dabei?

Es beginnt mit den (scheinbaren) Belanglosigkeiten. Weil sie nur scheinbar belanglos sind. Weil sie Ausdruck dessen sind, mit welcher Selbstverständlichkeit Männer durchs Leben gehen und dabei Frauen entgegentreten. Und das sind viele. Das sind vielleicht die meisten. Sie merken es nicht. Wir merken es nicht. Nicht immer. Dabei ist es so einfach: Sehe ich es als selbstverständlich an, dass meine Frau kocht und ich nicht? Wenn ja: Woher kommt denn das? Und dieser Gedanke ist vollkommen unabhängig davon, ob meine Frau eine leidenschaftliche Köchin ist oder nicht. Frage ich mich, ob es normal ist, dass 100% aller Frauen und Männer von (knapp) 31% Frauen und 69% Männern im deutschen Bundestag vertreten werden? Wenn nicht: Könnte es daran liegen, dass ich als Mann eh ganz gut bei dieser Rechnung wegkomme? Es geht nicht um eine mögliche Frauenquote, sondern darum, dass es halt so ist und auch nicht hinterfragt wird.

Ja, ich könnte über missbrauchende Priester und die größten Nazischergen der Weltgeschichte oder den Polizisten, der George Floyd umgebracht hat oder die drei, die dabei zugeschaut haben, ohne einzuschreiten, schreiben. Aber ich tu’s nicht. Ich könnte über mordende Männer schreiben. Aber das hätte keinen Sinn. Weil Männer eben nicht so sind.

Männer sind anders.

Aber was alles darin steckt, und ob das immer so egal ist, das ist es, was mich interessiert.

Euer Adam

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2 Kommentare zu "550 – Die Ausnahmslosen"

  • Adam, du begibst dich wieder in die Politik. Nur was zum Bundestag.
    Frauenanteil SPD 33 %, CDU 26 %, CSU 20 %
    Ich bin überzeugt, dass viele Frauen nur Mitglied sind, weil es der Mann ist. Kenne ich von Vereinen.
    Art. 3 GG

    • Ich weiß, dass ich mich wieder in die Politik begebe. Das mach ich ständig 😉 Das Leben ist Politik, und deswegen wär’s gut, wenn die Politik mehr das Leben abbilden würde.

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