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548 – Der Kapitän

5. Juli 2020

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  • Männer

Liebe Frauen,

der Sommer ist da und wir dürfen wieder raus und tun und lassen, was wir wollen.

Naja, so halbwegs.

Also schnappen wir uns Kind und Kegel und buchen schnell mal ein Wochenende im Familienhotel am nächstgelegenen See. Wir zögern nicht lange und klemmen uns gleich die Handtücher unter den Arm, die Sonnencreme und der Apfelsaft kommen in den Rucksack zusammen mit heimlich beim Hotelfrühstück mit Schinken und Käse belegten Semmeln (weil das ist natürlich strengstens verboten, weil es ja die Lunch-Pakete um viele Euro, dafür inklusive Schokoriegel zu erwerben gibt), hüpfen frohen Mutes gen Hafen, erschrecken ob der langen Schlange vor der Eisdiele (um diese Zeit?), und wissen, was wir tun wollen.

Wir mieten uns ein Boot.

Hurra.

Der Dorfälteste und seine Frau hocken auf Plastikstühlen und leiten ihre Enkel an, die Boote an die Touristen zu vergeben: Das Grüne, das Rote, das Pinke. Oder doch lieber das Tretboot? Nein, strampeln tun nur die Teenager, ein E-Boot muss es sein.

Und egal, ob es Kinder gibt oder nicht, ob es Hunde gibt oder nicht, ob das Paar älteren Jahrgangs ist oder nicht, wer sitzt am Ruder?

Richtig, der Mann.

Fehlt ihm nur noch die Kapitänsmütze.

Wo lang?

Es ist die Ausnahme, wenn mal die Frau das Steuer übernimmt und der Mann sich chauffieren lässt. So wie auch außerhalb des Sees. Schaut mal in die Autos und zählt mit. Die Männer lenken das Gefährt. Die Frauen sitzen daneben. Natürlich, wir wissen, dass es die Frauen als Beifahrerinnen sind, die die Richtung vorgeben, früher daran zu erkennen, dass sie den nie wieder zusammenfaltbaren Straßenplan auf dem Schoß liegen hatten. Sie sind die grauen Eminenzen. Aber an vorderster Front steht der Mann.

Wenn es mal eine Frau ist, die Kapitänin eines der großen Ozeanriesen ist, ein Kreuzfahrtschiff lenkt oder gar einen Frachter, dann ist das gleich etwas Erwähnenswertes und es gibt Zeitungsberichte. Weil es so selten vorkommt. Und weil es immer noch den Hauch von verrucht an sich hat. Uh, und hast du gehört, unser Kapitän ist eine Frau? Nein? Uh.

Im Flugzeug: Pilot. Die stellen sich doch immer vor. Wie oft hört man eine Frauenstimme? Eben, im Grunde nur dann, wenn sich die Stewardess vorstellt. Ich weiß, die Flugbegleiterin. Die Saftschubse. Buh, ich Böser, ich, das sagt man nicht. Ich habe es nicht erfunden, dass es Saftschubse und nicht Saftschubser heißt. Aber gottseidank sind ja die potentiellen Saftschubser eh alle schwul, das passt dann wieder ins Bild, nicht wahr?, wie sähe denn das aus, wenn da ein Mann, also ein richtiger, so einer, dem man ansieht, dass er ein Mann ist, einer, auf den die Frauen stehen, wenn der da vorbeischlendern würde und fragt, ob man Kaffee oder Tee will oder Süßes oder Salzig? Die Welt aus den Fugen. In den Köpfen von so manchem.

An Land und zur See

Wenn es um Berufe geht, den des Piloten oder des Kapitäns, oder auch des Fernkraftfahrers, dann kann man natürlich viele Gründe finden, warum jeweils das angehängte -in so selten ist.

Aber warum ist das auch so, wenn wir uns in ein angemietetes E-Boot hocken und um elf Euro die Stunde über den Bergsee schippern? Warum sind es die Männer? Wer hindert die Frauen daran, sich genau so selbstverständlich ans Ruder zu setzen, wie es die Männer tun?

Die Antwort ist: Die Selbstverständlichkeit der Männer, sich ans Ruder zu setzen, ohne dass es den kurzen Moment gibt, in dem sie sich fragen, ob es auch anders möglich wäre. Die Frage „Sie oder ich?“ gibt es ganz einfach nicht. Kapitän ist Kapitän. Ohne -in.

Und ja, das ist auch über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte in das Verhalten der Frauen übergegangen. Nach wie vor stellen sich nicht alle Frauen die Frage „Er oder ich“, wenn es um Kindererziehung geht, ums Putzen, darum, ihm das Ruder zu überlassen. Und sie sagen: Ich mag das so, herumgeschippert zu werden. Zu kochen. Zu putzen.

Und wenn sie es tun, stoßen sie auf Männer, die nicht einmal erkennen, dass es an der Zeit ist, sich diese Fragen zu stellen: „Er oder ich?“, „Sie oder ich?“, „Er oder sie?“, „Ich oder du?“. Weil erst wenn wir uns diese Frage stellen, sind wir frei in der Beantwortung derselben.

Euer Adam

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